Einsame Strände, traumhafte Natur, liebenswerte Menschen und eine ziemlich abgefahrene junge Vergangenheit: Albanien hat uns von Anfang an gefesselt.



Ich gebe es zu: auf Albanien habe ich mich auf unserer Tour mit am meisten gefreut. Dass mich das kleine Land aber so umhaut, hätte ich nun echt nicht erwartet. Da denkt man, man hat in Syrien, Israel, Australien und Co. schon so einiges erlebt, und dann kommt, keine 2 Stunden Flug von uns entfernt, Albanien daher.

Albanien: Anders als alles Andere

Albanien ist, das wird uns schon nach den ersten Kilometern klar, komplett anders. Anders als alles. Auf unserer bisherigen Tour, aber auch anders, als alles bisher gesehene generell. Aber der Reihe nach.

Weg zur Albanischen Grenze (Übergang Konispol)

Nach tollen Tagen in Griechenland ist allein der Weg zur Grenze schon wunderschön: schmale Landstraßen durch karge Berge und verwunschene Örtchen – und irgendwann ganz plötzlich, hört Griechenland einfach auf und Albanien beginnt. Man muss bei Google Maps schon ganz nah heranzoomen, um da überhaupt eine Straße und einen Grenzübergang zu finden. Wir befinden uns also am Grenzübergang Konispol und verlassen zum 1. Mal auf diesem Trip die EU. Die Grenzbeamtin flirtet mit klein Bo, der bei mir auf dem Schoß sitzt, und heißt auch Biba auf dem Rücksitz herzlich willkommen. Kinderlieb und gastfreundlich sind sie schon mal, denken wir, und fahren durch entlegene Dörfchen und eine tolle Landschaft. Alles wirkt friedlich, unberührt und wunderschön: Schafherden auf den Wiesen, überall 190er Daimler auf den Straßen und Menschen, die uns freundlich zunicken. Und dann stehen wir auf einmal vor einer Fähre. Also, eher einem Fährchen. Ok, sagen wir einer beweglichen Autobrücke für 4 Autos. Die keine 3 Minuten dauernde Fahrt ist fast schon ein kleines Abenteuer, doch zu schnell werden wir vom Chaos auf der anderen Seite in Beschlag genommen: Hier nämlich reihen sich Reisebusse an Reisebusse an der südlichsten Attraktion des Landes: Die alte Ruinenstadt Butrint.

Abenteuerliche Fähre

Ruinenstadt Butrint – 2,500 Jahre Geschichte

Zufällig ergattern wir einen Parkplatz und erkunden die historische Festung mit hunderten anderen Leuten. Es handelt sich hierbei um eine zweieinhalbtausend Jahre alte Mischung aus griechischer Kolonie, römischer Stadt und eines byzantinischen Bistums. Butrint liegt auf einer Halbinsel und lockte seinerzeit Theaterfreunde, Thermenfans und Fitnessliebende an, uns ist es schnell zu voll und zu warm, weswegen wir die Festung im Stechschritt durchmarschieren. Da ich ja auf so altes Steinzeugs stehe, hat sich der Besuch gelohnt, der Gatte hingegen hätte wegen der enormen Touri-Flut auch darauf verzichten können. Der Eintritt war mit 5 Euro (wir hatten noch kein Geld gewechselt und deswegen in Euro bezahlt) für 2 Erwachsene absolut fair.

In den ehemaligen Thermalbecken tummeln sich heute Schildkröten

Ksamil: Ausgangspunkt für viele Attraktionen

Es ist irre heiß. Wir wollen endlich einen gemütlichen Schattenplatz und überlegen sogar schon, für diese Nacht Zelt gegen Zimmer zu tauschen. Unsere erste Nacht wollen wir in Ksamil verbringen, einem mittelgroßem Ort, der eigentlich nicht viel zu bieten hat, aber als Dreh- und Angelpunkt für verschiedene Sehenswürdigkeiten sehr günstig liegt. Das merkt man auch auf den Campingplätzen: Der erste ist ein reiner Wohnmobilstellplatz, in der knallen Sonne und rappelvoll. Wir versuchen unser Glück auf dem nächsten und holpern auf einer sehr schottrigen Schotterstraße den Berg hinauf. Und da lernen wir Linda kennen, die Herzlichkeit in Person.

Ganz schön was los beim UNSECO-Kulturerbe Butrint

Crazy Camping auf 3 Ebenen


“Willkommen in Albanien! Ich bin Linda. Schön, dass du da bist!” Linda ist etwa Mitte 40 und immer in Hektik. Trotzdem nimmt sie sich die Zeit, um mir die (wenigen) Optionen für unser Dachzelt zu zeigen. Man muss sich das in etwa so vorstellen: In der Mitte eines etwas größeren Grundstücks steht ein zweistöckiges Wohnhaus mit drei Ein-Zimmer-Wohnungen und einer Zwei-Zimmer-Wohnung. Die kleinen sind vermietete Ferienzimmer, in dem Großen wohnt Linda mit ihrer Familie. Und die teilt einfach ihr ganzes Leben mit ihren Campingplatzbesuchern: Die Küche steht im Hof, für alle zur Verfügung. Ebenso einige Waschmaschinen, 2 Duschen und 2 Toiletten. Alles, was im Normalfall Garten wäre, ist gewinnbringend zum Campingplatz (Ksamil Caravan Camping) umfunktioniert. Statt Gras gibt es  Schotter, und überall wo Platz ist, gibt es grüne Teppiche, auf denen man sein Zelt stellen kann. Auf der Vorderseite des Hauses und auf einem Baugrundstück nebenan gibt es auch Plätze für größere Wohnmobile. Jeder Mini-Stellplatz hat noch eine Mini-Sitzgruppe und zum krönenden Abschluss kann man auch einfach sein Zelt auf dem Dach aufschlagen. Hier wird jeder Zentimeter genutzt. Und das mit einer Herzlichkeit, die uns zunächst erstmal skeptisch werden lässt. Als wir Linda unsere Platzwahl mitteilen, bekommen wir erst einmal einen Frappé und 4 Flaschen Wasser serviert, Biba bekommt einen Saft. “Damit ihr euch erstmal vom Weg erholen könnt”. Aha, denken wir, das wird uns bestimmt nachher auf die Rechnung geschrieben.

Eigentlich eine Hofeinfahrt – gewinnbringend umfunktioniert zu einem Campingplatz

Zelt-Tetris

Trotzdem nehmen wir den Eiskaffe bei der Hitze dankbar an und sammeln Kräfte fürs Parken: Um nämlich an unseren Platz zu kommen (wir müssen ja logischerweise mit dem Auto da hin fahren, weil das Zelt ja da drauf ist) müssen eine Bank, ein Zelt und ein Auto verstellt sowie ordentlich rangiert werden. “Du hast denen schon gesagt, dass wir nur eine Nacht bleiben?” fragt mich der Gatte ob dieses Umstands für so viele Beteiligte. Schließlich haben wir uns installiert und genießen den Tag einfach auf dem “Camoingplatz”. Es herrscht so ein illustres Treiben, und zum Abend hin ist jeder noch so kleine Zentimeter voll mit Zelten. Es wird gekocht, ich wasche all unsere Wäsche und es ist so eine lustige Stimmung unter den Gästen, und jeder wundert sich über den Ideenreichtum und der Gastfreundlichkeit der Linda-Familie. Den Frappé müssen wir übrigens nicht bezahlen, im Gegenteil: In der Küche gibt es ein riesiges Regal voller Getränke, die man sich umsonst nehmen kann.

Alles für alle – Linda teilt ihren gesamten Haushalt mit ihren Gästen, die Treppe links führt zum Roof-Camping

Erste Eindrücke von Albanien

Irgendwann gegen Abend ist es dann endlich mal kühl genug für eine Erkundungstour: Wir entdecken viele, viele Hotels und Ferienzimmer, endlich einen Geldautomaten (der dann nicht funktioniert), einige Geschäfte mit Urlaubsutensilien. Und unseren ersten Albanischen Supermarkt. Wie wir da gestaunt haben, habe ich Euch ja hier schon verraten. Wir bemerken die vielen Bauruinen und Rohbauten, in denen Familien in Zelten wohnen. Unser erster Kontakt mit der Armut. Vor allem Biba beeindruckte das Zelt im Rohbau mit den spielenden Kindern und löcherte uns danach mit Fragen. Und zwar mit Fragen, die unsere Antworten immer wieder auf die Probe stellten. Kostprobe?

Familie zeltet in ihrem Rohbau


“Warum campen die in einem kaputten Haus und nicht auf einem Campingplatz?” – “Die können sich vielleicht keinen Campingplatz leisten und haben kein Geld um ihr Haus fertig zu bauen.” – “Warum haben die kein Geld?” – “Hier gibt es wenig Arbeit, und es geht nicht jedem Menschen so gut wie bei uns.” – “Geht es den Menschen hier nicht gut? Sind sie krank?” (hach, mein schlaues Töchterchen) – “Doch, denen geht es schon gut, aber sie müssen eben im Zelt wohnen und haben kein Bad oder ein richtiges Dach über dem Kopf.” – “Vielleicht machen die Urlaub so wie wir! Wir wohnen auch im Zelt…” und so weiter… (Einige Tage später habe ich sie in den Bunkern von Tirana dann mit einem Kriegscrashkurs zum Grübeln gebracht… aber dazu ein ander mal später.)

Die ersten Meter des Llogara-Passes

Am nächsten Tag dauert es etwas, bis wir ausziehen können. Langsam puzzelt sich der Campingplatz auseinander, und auch wir finden einen Weg nach draußen. 15 Euro zahlen wir für 2 Erwachsene, 4 Euro für die Wäsche, und Linda ist es sehr unangenehm, dass sie uns nicht in Euro herausgeben kann. Ihr Mann ist schon kurz davor in die Stadt zu fahren und Geld zu wechseln, nur damit wir keine Umstände haben. Jedenfalls zahlen wir dann einfach in albanischen Leke, das Problem ist gelöst, Linda albert noch kurz mit Bo und winkt uns dann zum Abschied hinterher. Was für ein Campingplatz, denken wir.

Abenteuerlicher Verkehr: LKW in der Kurve überholen und dann eine Kuh und wir auf der Gegenspur.

Tor zum Horizont

Unser nächstes Ziel soll komplett anders sein: Ein Hippiecampingplatz an einer einsamen und nicht leicht zu erreichenden Bucht kurz vor Lukove.  Wegen der Hitze und der zu erwartenden Touriflut beschließen wir, die Must-Sees Gjirokastra (Hangstadt mit Steindächern) und das Blue-Eye (Syri i Kaltër) auszulassen und individuellere Abenteuer zu suchen. Und die finden wir auch: Nach einer tollen Fahrt mit schon einigen Kilometern auf dem Llogara-Pass biegen wir nach nur einer halben Stunde Fahrt bereits zu unserem nächsten Campingplatz ab: Drei Kilometer sehr schottrige Schotterstraße und 600 Höhenmeter rumpeln wir hinunter, links steiler Abhang, rechts üppiges Gebüsch, hin und wieder setzen wir auf oder drehen im sandigen Weg durch – gut, dass es schönes Wetter hat, denken wir noch, nach einem Regen kommt hier keiner mehr hoch oder runter… Irgendwann sind wir dann tatsächlich am Ziel und erreichen “Gate to Horizon” (16 Euro / 2 Erwachsene). Nennt sich Bio-Campingplatz, warum weiß ich nicht. Außer verschiedenen Möchtegern-Hippies ist hier nichts Bio. 🙂 Es ist erst kurz nach 10 Uhr und wir sehen einige noch im Schlafanzug und mit Zahnbürste herumlaufen 🙂

In bester Dachzeltgesellschaft

 

Wie schon in Ksamil ist es auch hier ziemlich eng. Bei manchen Gefährten fragen wir uns, wie die denn hier herunter gekommen sind (und ob sie vor allem wieder hochkommen werden). Und: Wir sind in bester Dachzelt-Gesellschaft! Insgesamt 7 Dachzelte tummeln sich hier. Eigentlich ist der Platz nicht für so viele Autoschläfer (Camper kommen hier nicht runter, Wohnwägen schon gar nicht), wer jedoch mit Auto und (Boden-) Zelt reist, ist hier bestens aufgehoben – ein traumhaftes Plätzchen, das zwar mit sehr schlichten Sanitäranlagen mit aussließlich Stehklos und einer (kalten) Dusche aufwartet, aber sonst einfach paradiesisch ist. Es fühlt sich ein bisschen an wie im Film The Beach mit Leonardo DiCabrio.

Da wir schon so früh da sind, fühlt es sich bereits um 2 Uhr an, als wären wir schon ewig hier. Biba und ich machen uns auf Natur-Erkundungstour und entdecken und ernten Bananenbäume (“Da sind echte Bananen dran? Sind das RICHTIGE Bananen???”), Zitronenbäume (“Riech mal, wie zitrooooooonig!”), Nussbäume, Sonnenblumenkerne, ja, sogar wilde Gurken und Tomaten ernten wir. Das Wasser ist himmlisch türkisblau und angenehm zu baden. Und dann kommt, aus heiterem Himmel, ein Gewitter. Ihr erinnert Euch? “Gut, dass es schönes Wetter hat, denken wir noch, nach einem Regen kommt hier keiner mehr hoch oder runter…” Tja. Es gibt jedoch schlimmeres, als im Paradies eingesperrt zu sein. Leider haben wir hier echt Pech mit dem Wetter. Zwar können wir nach der Sturmflut (das Dachzelt hält – nur haben wir es leider nicht mehr bis zum Dachzelt geschafft) wieder ins Wasser, aber die Sonne zeigt sich nicht mehr. Und am Abend kommt erneut wieder ein Gewitter auf uns herabgeprasselt. Alles ist Matschig und ungemütlich, und jeder verzieht sich schon früh in sein Zelt. Schade, denn hier gibt es wohl tolle Strandparties mit Lagerfeuern… Nun, vielleicht beim nächsten Mal.

Ein echter Bananenbaum bringt Biba zum Strahlen
Der Gatte beim Gurken ernten

Am nächsten Tag schaffen wir es tatsächlich trotz Nässe den Berg hinauf – trauen uns aber erst, nachdem ein mutiger T4 die Vorhut gibt und nicht mehr zurückkommt. Anscheinend hat er es also geschafft, so war es vereinbart. Das Wetter ist wieder Top, und nach dem aufregenden Aufstieg (ich musste tatsächlich überwiegend mit geschlossenen Augen beifahren) offenbart sich uns also der nächste Teil des viel gelobten Llogara-Passes – und wir werden absolut nicht enttäuscht!

 

Albanien: über Butrint und Ksamil zum Llogara-Pass

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