Der Abschied von Albanien fällt schwer. Vor allem mir. Doch Montenegro hat etwas, was wir zu schätzen wissen: Gewohnheiten. Trotzdem haben wir jede Menge Pech. Unsere letzte Station in dem Land der Gegensätze ist in einem Resort nahe Shkodra, das uns von den Elternzeitreise-Bekanntschaft aus Bulgarien empfohlen wurde. Abgelegen am See gelegen ist hier das Sammelbecken für deutsche Elternzeitreisende: Mit Strand, SUPs, Restaurant am Strand und Liegestühlen direkt neben den Campingplätzen. Man kann in Euro UND mit Karte bezahlen. Die Grenze zu Montenegro macht sich deutlich bemerkbar. Die Besatzung spricht Englisch und irgendwie ist es hier schon so un-albanisch, dass wir auch irgendwo in Spanien sein könnten.

Shkodra – zu heiß zum Eintauchen
Leider können wir nicht in Shkodra anhalten, da es wieder ein mal viel zu heiß ist und wir den Kindern nicht noch einen Städtetrip bei Hitze zumuten wollen. Also fahren wir nur mitten durch – und schon dabei ist zu erkennen, dass die Menschen in Shkodra noch mal deutlich ärmer zu sein scheinen als in den südlicheren Teilen. Männer und Frauen sitzen auf Colakisten und verkaufen alles, was sie zu bieten haben: Gemüse, Sirup, Honig, gegrillten Mais, ja, sogar lebende Hühner. Sie kommen teilweise von weiter entfernten Dörfern mit dem Bus und hoffen, in der Stadt etwas zu verdienen. Ansonsten gleicht die Stadt einem riesigen Basar voller Menschen. Hinter Rolltoren kommen Geschäfte mit wirklich allem zum Vorschein. Es herrscht ein wunderbares Chaos und ich bin ganz kurz davor, einfach auszusteigen und die Stadt alleine zu erkunden. Vielleicht, denke ich, fahren wir einfach noch einmal hinein, wenn wir unser Nachtquartier bezogen haben… Doch dann hält es uns in diesem Resort fest. Der See ist so warm wie eine Badewanne, aber immerhin findet Bo das so richtig klasse. Zum Abschied gönnen wir uns alle etwas besonderes. Bo darf ganz lange ins Wasser, Biba bis spät in die Nacht spielen, und wir gönnen uns einen Wein.

Schluchten, Berge, Frost – Hallo Montenegro
Wie schon gesagt: Der Abschied von Albanien fällt mir nicht leicht. Ich bin noch zu tief drin, habe noch zu wenig gesehen, und will eigentlich noch so viel mehr eintauchen in dieses liebenswerte und verrückte Land, das so arm, so freundlich und so voller Erfindungsgeist ist. Das Wetter hingegen macht den Abschied leichter: Ein kräftiges Gewitter geht über uns herunter, und als wir an der Grenze zu Montenegro stehen, beginnt es auch noch fürchterlich zu stürmen. Wie auch immer – wir sind nun über der Grenze, und schwuppdiwupp wie in einer anderen Welt: Intakte Dörfer! angenehme Straßenverhältnisse! Und vor allem: Supermärkte! RICHTIGE Supermärkte! In einem kleinen Bergdorf wollen wir unsere Vorräte auffüllen und geraten alle 3 in regelchrechten Kaufrausch! Dabei handelt es sich nicht mal um einen großen Supermarkt, sondern um eine Art sehr klein geratener Aldi. Aber er hat alles, was wir in den letzten Wochen einfach nicht hatten – was das Faszinosum Albanien noch einmal hochholt. Wie gesagt, es fällt mir schwer, das kleine Land loszulassen.
Exkurs: Meldepflicht für Touris in Montenegro
Schon im Vorhinein hat uns eine Sache in Montenegro ziemlich genervt: Die Meldepflicht. Beim Auswärtigem Amt und auch in vielen Blogs und Reiseführern wird erklärt, dass man sich innerhalb von 24 Stunden nach der Einreise polizeilich gemeldet haben muss, wenn man länger als 3 Tage im Land bleibt. Alternativ macht dies auch die Unterkunft. Einige Reisende (comewithus2 zum Beispiel) haben es bei der Polizei versucht und nur zuckende Schultern zu sehen bekommen. Und auch wir stehen ziemlich belämmert da, als wir bei unserem Campingplatz fragen, ob er die polizeiliche Anmeldung von uns übernimmt oder ob wir noch was tun müssen. Der Mann lacht nur und meint, dass dies wohl die meist gestellte Frage von Deutschen sei – er selbst und andere Gäste wüssten von dieser Registrierungsregelung nichts. Da es dort mitten im Nirgendwo sowieso nirgends eine Polizeistation gibt, belassen wir es erstmal dabei und hoffen auf die nächste Unterkunft (die allerdings auch nichts dergleichen unternommen hat).
Fazit: Jede Unterkunft hat fleißig unsere Daten aufgenommen, polizeilich angemeldet wurden wir (zumindest unseres Wissens) nicht. Da uns auch keiner sagen konnte, was passiert, wenn wir nicht gemeldet sind, haben wir es einfach drauf ankommen lassen und passiert ist gar nichts. Bei der Ausreise wollte man nicht einmal unsere Pässe sehen.

Die Tara-Schlucht: Zweittiefste Schlucht der Welt
Unsere Tour führt uns erst einmal weg vom Meer hoch in die Berge: Hier wollen wir der Tara-Schlucht einen Besuch abstatten. 1600 Meter geht sie stellenweise tief und ist damit nicht nur die tiefste Schlucht Europas, sondern auch die zweittiefste Schlucht der Welt nach dem Grand Canyon. Die Strecke dahin ist wunderschön, die Kinder schlafen, die Sonne scheint wieder, Montenegro, wir kommen! Wir finden einen süßen Campingplatz und merken schnell, dass die Hitze nun erst einmal vorbei ist. Morgens noch mit 30 Grad gekämpft, lacht der Campingplatzwart im dicken Pulli über uns, wie wir da im dünnen Sommerkleid stehen… Biba findet schnell einen Freund und die beiden sind den ganzen Abend miteinander am spielen, wir großen planen unsere weitere Tour und Bo macht, was er am liebsten tut: Schlafen. Die Nacht wird richtig kalt. 14 Grad zeigt das Thermometer, und zum ersten Mal seit Start unserer Reise packen wir den Not-Schlafsack aus und beide Kinder in die Mitte. Trotzdem können wir alle mal so richtig ausschlafen. Biba sogar fast eine Stunden länger als gewohnt!

Nationalpark Durmitor
Nach einem Frühstück in der Kälte machen wir uns auf weiter hinein in den Durmitor Nationalpark. Es wird immer grauer und Kälter, 11 Grad zeigt das Thermometer nun, dazu Nieselregen. Meine Stimmung, die sowieso noch hinter Albanien hertrauert, ist am Tiefpunkt. Bei unter 10 Grad und Nässe wollen wir auf keinen Fall campen. Nicht mit Baby. Wir überlegen also, den Nationalpark sein zu lassen und wieder hinab ins Wärmere zu fahren, doch das wäre eine lange Autofahrt von mindestens 5 Stunden. Also bleiben wir in dem trübgraukalten Zabljak und suchen uns ein Zimmer. Wir finden ein sehr dubioses Zimmer bei einer Frau im Teilort Ivan Do, direkt neben dem See Crno Jezero, Ausgangspunkt für sämtliche Wandertouren. Dubios, weil wir hier in der Art Couchsurfing in einem Zimmer (ohne Heizung, aber definitiv wärmer als im Dachzelt) mit vier Betten schlafen, und uns mit einigen anderen Gästen ein winziges Bad und das Wohnzimmer teilen, in dem auch die Küche ist.
Klingt jetzt ziemlich normal, war aber vor Ort irgendwie schräg. Immerhin, denken wir, haben wir die Regensachen nicht umsonst mitgeschleppt, und wandern einmal um den Schwarzen See herum, werden mehrmals von Regenschauern erwischt und sind völlig durchgefroren, als wir ein Restaurant aufsuchen um unseren ganzen Frust wegzufuttern. In der Nacht bekam Biba plötzlich Fieber, was den Luxus eines echten Bettes leider nicht wirklich genießbar machte. Am nächsten Morgen war es wieder weg – aber wir so genervt von Wetter, dem Tourihype ohne wirklichen Grund und der Kälte, dass wir schnell zusammenpacken und weiterziehen wollen. Doch die Hausherrin schläft auch um halb zehn noch auf dem Sofa, und so legen wir das Geld (25 Euro) einfach in unser Bett.

In der Nebelsuppe ließen wir sämtliche Highlights einfach aus und stiegen erst wieder aus dem Auto, als wir ein nettes Café in der Sonne entdeckten. Ziemlich wahrscheinlich haben wir Montenegro einfach auf dem falschen Fuß, bzw. beim falschen Wetter erwischt, oder wir waren einfach nicht an den Orten, die uns interessierten.
Endlich wieder am Meer
Auch wenn wir erst 2 Nächte ohne Meer verbracht hatten – schon als ich es in der Ferne glitzern sah, war es um mich geschehen. Jetzt gib alles, Montenegro! Und wir wurden nicht enttäuscht. Es war schön warm, nahezu heiß, und wir bekamen den letzten Platz auf dem Campingplatz am Meer.

Im Nu ist die Stimmung wieder bestens, und wir gönnen uns erstmal einen Drink an der Strandbar. Biba ist mal wieder kaum aus dem Wasser heraus zu kriegen und Bo wühlt mit seinen Füßchen wieder im Sand. Abends dann packen wir unser Dachzelt wieder ein und fahren nach Kotor – einer wunderschönen alten Hafenstadt ganz im südöstlichen Ende der Bucht.
Die Stadt erinnert schwer an sämtliche Piratenfilme und gefällt uns sehr gut. Auf dem Berg thront eine riesige Burg, die wir (mal wieder) wegen der Hitze nicht erklimmen. Lieber schlendern wir durch die vielen, vielen Gässchen, vergnügen uns beim Schaufensterbummel und genießen unseren letzten und schönsten Abend in Montenegro in einem leckeren Restaurant.
Ja, ich bin mir sicher, dass wir Montenego auf dem falschen Fuß erwischt haben. Bestimmt gibt es hier noch tolle Orte zu entdecken – vielleicht kommen wir ja mal wieder vorbei…