… oder Ahnungslose. Albanien ist so wunderschön. Und kurios. Und auf  überwiegend sympathische Weise auch chaotisch. Ein kleiner Exkurs vorneweg.

“Das kann doch nicht sein!” denke ich sehr oft, als ich mich im Vorhinein über Albanien informiere. “Sowas gibt es? In Europa? Hier ums Eck?”

Ein grauer Fleck auch für unser Navi

Wie für die meisten ist Albanien auch für uns ein grauer Fleck auf der Landkarte. Auser vielleicht Mal kurz in der Flüchtlingshilfe hatte ich keine Berührungspunkte zu dem Land, also bereiten wir uns mit verschiedenen Reiseführern und dem Web auf das Land vor, das Meiste lernen wir aber unterwegs von den Albanern selbst – und vieles davon hätten wir gerne vorher gewusst…

Alltagsgewusel in der Stadt

Deswegen hier für Euch ein kleiner Guide zur Vorbereitung und zum Verständnis!*

 

* Ohne Garantie natürlich, es handelt sich hier ausschließlich um unsere eigenen oberflächlichen Recherchen, Gespräche mit Einheimischen und Beobachtungen!

 

1. Albanien seit 1990: Geschichts-Crashkurs für Eilige

Vor 20 Jahren wurde in Albanien nach einigen Massendemos der Kommunismus unter Hoxhas gestürzt und in Albanien ging es daraufhin, wirklich sehr verkürzt und überaus vereinfacht gesagt, ziemlich unkoordiniert zu. Aus Mangel an allem kommt es Mitte 1991 zu einer Massenflucht, vor allem nach Italien. 1992 gab es die erste freie Wahlen, Korruption ist jedoch weiter an der Tagesordnung.

Zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen kommt es dann 1997: dubiose Kreditgeber kommen ins Land und versprechen den Albanern bei entsprechender Investition eine irre Rendite. Diese wurde zum Schein auch einige Monate ausbezahlt, sodass sehr viele all ihren Besitz verkaufen, um das Geld in die so genannten Pyramidenspiele zu investieren. Und dann waren die Ersparnisse und die Kreditgeber weg. Schwupps, schier ein ganzes Land, wieder deutlich vereinfacht, wurde verarscht – und die Regierung steckte angeblich irgendwie gleich mit drin.

 

2. Banken

Diese Pyramidenspiele führten wohl dazu, dass die Albaner bis heute (!) kein Vertrauen in Banken haben. Und was das alles bedeutet, war mir bisher überhaupt nicht so klar: die meisten Albaner haben wohl kein Konto, sagt uns die Hotelangestellte in Tirana, als wir sie fragen, warum man nirgends mit Karte zahlen kann. Die meisten Albaner bekommen ihr Geld bar ausbezahlt und sparen demnach mit der Sparschwein- und Kopfkissenmethode, falls überhaupt etwas übrigbleibt. In größeren Städten wurde bei unserem Aufenthalt (August 2018) mit riesigen Plakaten für Onlinebanking geworben.

 

Eigentlich eine Hofeinfahrt – gewinnbringend umfunktioniert zu einem Campingplatz

3. Lebensunterhalt

Jobs sind rar in Albanien. Laut Wikipedia gibt es die meisten Jobs in der Energie- und Textilindustrie, dann kommt lange nichts.
Unweigerlich merkt man in Albanien sofort, dass das Geld knapp ist, aber der Erfindergeist groß. Unser erster Campingplatz besteht aus einem chaotischen aber sympathischen Durcheinander, in dem jeder Zentimeter genutzt wird – sogar auf dem Dach. In den Städten verkaufen Frauen vom Land auf der Straße Gemüse oder selbst abgefüllte Milch in pet-Flaschen, auch lebende Hühner sind ab und zu dabei. Auf dem nicht vorhandenen Seitenstreifen der Autobahn (!) stehen Opas mit kleinen Grills und verkaufen Maiskolben (wenn tatsächlich jemand einen Maiskolben haben möchte, hält er mit Warnblinker auf der rechten Spur an). Nachts sehen wir Kinder wie Erwachsene in Mülltonnen nach Dosen und Plastikflaschen suchen und quasi jedes zweite Haus hat eine Lavash – einen Autowaschservice im Angebot (also einen Dampfstrahler, mehrere Lappen und Putzmittel). In wie weit das alles steuerlich erfasst wird? Das steht wohl in den Sternen…

4. Sprache

Anders als wir in unseren Reisevorbereitungen gelesen haben, kamen wir mit Englisch sehr gut in Albanien zurecht. Nur wenige Male gab es leichte Verständigungsschwierigkeiten, die mit Händen und Füßen bzw. mit Papier und Stift leicht zu lösen waren (einmal allerdings half auch das nichts und wir bestellten aus Versehen Innereien statt Gemüse 🙂 ) Für uns zunächst überraschend war, dass man auch mit Deutsch sehr gut voran kam. Gerade in der Hauptstadt Tirana freute man sich geradezu, mal seine (wirklich guten!) Sprachkenntnisse wieder auszupacken – im Hotel, beim Bäcker, im Restaurant oder einfach so für einen kleinen Plausch auf der Straße.

Rundumwäsche für keine 2 Euro – und wir wurden bestimmt noch übers Ohr gehauen…

Warum das so ist? Das ist bekanntlich jüngste Geschichte. Viele Albaner such(t)en in Deutschland nach besseren Chancen aus der Arbeitslosigkeit und kommen entweder als Wirtschaftsflüchtling oder für drei Monate als “Arbeitstourist” nach Deutschland. Wir trafen zum Beispiel einen Albaner etwa in unserem Alter, der alle paar Monate für 3 Monate zum Arbeiten nach Deutschland fährt, um davon für 6 Monate in Albanien zu leben. Manchmal kauft er auch ein Auto in Deutschland und verkauft es in Albanien wieder – für Autos im Wert bis zu 10.000 Euro geben reichere Albaner nämlich gerne Geld aus…

5. Hilfsbereitschaft

Entgegen aller gängigen Vorurteile haben wir ausschließlich super nette Albaner getroffen. Gerade die Kinder haben schon von weitem für positive Aufmerksamkeit gesorgt und wurden sehr oft zum Fotomodell. Wir wurden ab und zu einfach so zum Kaffee eingeladen oder zur absolut unübersichtlichen Bushaltestelle begleitet. Jeder ist auch selbst der Nächste? Davon haben wir nichts bemerkt!

Von Brot bis zum Regenschirm alles drin

6. Nur Bares ist Wahres!

Für Touris unbedingt zu beachten: Kartenzahlung ist so gut wie nirgendwo möglich – nicht an Tankstellen, nicht in Hotels (auch nicht in der Hauptstadt!), nicht mal an den überfülltesten Tourianlaufstellen, nirgendwo. Und dort wo es dransteht, sollte man unbedingt noch einmal fragen, ob es wirklich stimmt. Banken gibt es eigentlich genügend, aber wir hatten oft Probleme da Geld rauszubekommen. Der erste hatte kein Geld mehr, der zweite akzeptierte die Karte nicht, der nächste gab uns plötzlich Euro statt Lek, ein weiteres Exemplar konnte ausschließlich Albanisch und so weiter. Irgendwann hatte der Gatte dann die Schnauze voll und wechselte unsere letzten Euro um, einmal hoben wie direkt in der Bank am Schalter ab. Fazit: Wir waren zwar nie finanziell aufgeschmissen, aber es war immer ein kleiner Nervenkitzel bei den Automaten. Und: Euro werden an den Grenzen zu Griechenland und Montenegro eigentlich überall akzeptiert, die Preise sind sogar manchmal auf Euro ausgeschrieben. Der Wechselkurs war Mal zu unseren Gunsten, Mal abzocke – hat sich also in etwa relativiert. Ein Glück, dass wir in Griechenland schon für Montenegro Euros abgehoben hatten!

Gemüsebeet eines Restaurants

7. Vor der Reise: Vorräte anlegen!

Das habe ich wirklich noch nie erlebt: ein Land, in dem so gut wie nichts an Lebensmitteln importiert wird, mal abgesehen von Bier und Softdrinks. Zwar waren wir, so dachten wir, gut auf die Einkaufssituation vorbereitet, dass es dann aber wirklich kaum etwas in den Mini-Märkten gibt, hätten wir nie erwartet. Auch nicht, dass es mit einer kleinen Ausnahme wirklich und wahrhaftig NUR Mini-Märkte gibt! Darin gibt es mit etwas Glück neben Reis und Nudeln auch Kartoffeln. Mit noch mehr Glück sogar Gemüse und Obst. Aber: ausländische Waren wie Konserven oder einfach eine Auswahl von mehreren Dingen sind Fehlanzeige. Da war bei uns einiges an Kochkünsten gefragt, um unsere zwar nicht anspruchsvollen, aber immerhin Abwechslung gewohnten Mägen nicht allzusehr zu langweilen. Und bei unsem ersten Einkauf in einem ganz normalen kleinen Supermarkt in Montenegro kamen wir nach Albanien tatsächlich in eine Art Kaufrausch! Ganz super lecker und unfassbar günstig sind übrigens albanische Backwaren direkt vom Bäcker!

Große Freude über Salat

8. Restaurants

Ähnlich ist es in den Restaurants. Gleich nach dem Hinsetzen bekamen wir oft erstmal aufgezählt, was es alles nicht mehr gibt. Aber: dafür ist echt alles frisch! Wir waren fast jeden Mittag snacken und wählten stets gegrilltes Gemüse, einen gemischten Salat und eine Portion selbst gemachte Pommes, und meistens sahen wir die Küchenhilfe daraufhin schnell im Garten oder im Minimarkt verschwinden und mit frischer Ernte wieder kommen. Und es war so lecker! Toll ist auch, dass in Albanien alles für alle serviert wird, d.h. jeder bekommt einen leeren Teller und das Essen kommt auf Tellern mit Portionierer.

Keine Seltenheit: Baupfusch

9. Häuser

Ebenfalls noch aus dem Kommunismus stammt wohl das anscheinend recht chaotische Grundbuchsystem. Anscheinend gab es lange Zeit keine Grundbücher oder Bauregularien, und so ist betuchten Albaniern beim Bauen freie Fantasie erlaubt: Wir fahren an schicken Burgen mit Erker und Burgturm genauso vorbei wie an sehr pompösen Eingangstoren (oft mit nichts dahinter) und sogar einem Haus in Form eines riesigen Schiffes.
Ein flächendeckendes Bild sind auch die unzähligen verlassen Rohbauten, die vermutlich noch aus Zeiten des Pyramiden-Skandals stammen.
Gewohnt wird zu wohl 95 Prozent ganz normal in Häusern, wir sehen aber auch Familien, die in einem verlassenen Rohbau in einem kleinen Zelt schlafen oder gleich mit Sack und Huhn in verlasse Häuser einziehen, ohne Wasser oder Sanitäranlagen. Da manche Häuser ziemlich marode aussehen und einige Rohbauten aufgrund von Baupfusch auseinander oder einfach umgefallen sind, bin ich mir nicht so sicher, wie sicher die Häuser hier wirklich sind…

10. Religion

Selbst im Religionswissenschaftsstudium, das sich ja immerhin mit den historischen und psychologischen Hintergründen der verschiedenen Religionen und Ähnlichem beschäftigt, habe ich nicht gelernt, dass Albanien bis 1990 das einzige Land war, in dem Religionen verboten waren. Heute ist die Mehrheit zwar muslimisch, allerdings fällt das kaum auf. Angeblich ist der Islam in Albanien der Toleranteste – so dürfen wohl Muslime auch Christen heiraten und so weiter.

 

Außerdem: Gesundheit

Angeblich, das habe ich vergessen vor Ort zu fragen, gibt es im ganzen Land keine niedergelassenen Ärzte. Wer medizinische Versorgung benötigt, muss in ein Krankenhaus in einer der großen Städte gehen – und das auch selbst bezahlen.

Albanien für Anfänger…

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